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2015


Der Name Jaroslav Ha¹ek ist synonym mit Schwejk, dem braven Soldaten, den er geschaffen hatte, und der mit ihm auch eins wurde. Aber wir können auch das Gefühl haben, dass Ha¹ek wie Schwejk war, und wir können uns nicht sicher sein, welcher den anderen geschrieben hatte.
Fest steht, dass Ha¹ek für die letzten paar Jahre seines Lebens, zwischen 1920-23 auf die Einladung eines Freundes nach Lipnice zog, in die Kleinstadt auf dem tschechisch-mährischen Hochland, in das Gasthaus zur Tschechischen Krone.
Hier kultivierte er zweierlei Dinge: er schrieb und trank, und er ließ zu, dass
seine in der russischen Gefangenschaft kennengelernte Ehefrau, namens Alexandra, die er nur Sura nannte, ihr eigenes Leben lebte.

Ha¹ek konnte dem Biertrinken nicht lange standhalten, er schnitt mit nur 40 Jahren dahin – und obwohl er den zweiten Teil von Schwejk nicht mehr beenden konnte, blieb das Werk auch so monumental, mehr als 700 Seiten, nicht zu sprechen über die Auswirkung.
Wer heute im Rahmen einer kleinen tschechischen Bier Tour Lipnice besucht, wird nicht enttäuscht sein. Ein altes Schloss steht über dem Städtchen, wo, könnten wir, auch den späteren Kollegen, Bohumik Hrabal vorladend, denken, die Zeit stehengeblieben ist.
Bezüglich Ha¹ek ist das zugleich wahr und falsch.
Sicher ist, dass der Gasthof zur Tschechischen Krone, der als Wohnort des Schriftstellers diente, in den über 90 Jahren nach seinem Tod mehrere Veränderungen erlebte, zum Glück haben wir ihn nicht als „Einheit” der sozialistischen Gastronomieindustrie gesehen.

Aber wie ein Mitarbeiter der von den Nachkommen betriebenen Anstalt, der Urenkel, Martin Ha¹ek sagt:

– Der Enkel, Richard Ha¹ek kaufte 2001 das völlig verkommene Haus, damals war es schon seit Jahren geschlossen.
Aber sehen wir uns zuerst in Lipnice um. Unverfälschte tschechische Stimmung, könnte auch in einem Menzel Film sein, abgesehen von den zahlreichen Touristen. Wir werden in den Friedhof verwiesen, der hinter dem Gasthof, am Hang liegt.

Das Grab von Ha¹ek wurde aus Granitsäulen geschaffen, aber statt Rührung muss man auch hier, als wäre es nur eine Story aus dem Schwejk, wiehern.
Auf der Granitplatte ist nirgends eine Blume zu sehen, die Ha¹ek Fans gewähren dem ruhmvollen Verstorbenen die letzte Ehre: neben dem Namen des Hingeschiedenen stehen Bierflaschen in arbiträrer Unordnung.

Wenn wir zum Gasthof zur Tschechischen Krone zurückschlendern, müssen wir gegen Mittag feststellen, dass es bei den Bänken der Terrasse absolut keinen Platz mehr gibt, und langsam ist das auch drinnen so.
Im Schankraum ist großer Rummel, offensichtlich ist das Erste und das Wichtigste das Bier. Welches Bier? Natürlich Prazdroj aus Pilsen, das Nass mit seinen 12 Grad sowie Gambrinus mit 10 Grad. Wahrscheinlich beide Lieblingssorten von Ha¹ek, denn er starrt auch von den Bierdeckeln mit leicht vernebelten Augen an uns.
Die Wände des Schankraumes und des inneren Gastraumes sind von zahlreichen Fotos verziert, denn dank Ha¹ek und Schwejk wurde der Gasthof zur Tschechischen Krone aber auch Lipnice ein vorzüglicher Ort, wohin auch prominente Menschen pilgern. So trifft auch der ungarische Wanderer mit großer Freude auf das Bild vom Staatspräsidenten Árpád Gönz, der dem Foto zuliebe einen Ha¹ek-Nachkommen umarmt.

Aber sehen wir mal an, was den Hungernden angeboten wird.
Martin, der Urenkel von Ha¹ek, der sein Leben auf zwei Ebenen führt, kommt aus der Küche vor. Einerseits ist er Rockmusiker, und im Winter, wenn auch die Tschechische Krone in Lipnice nicht so stark besucht wird, lebt er sein Künstlerleben in Prag. Aber während der Saison… - hat er eben nicht zu viel Zeit mit solchen einkehrenden Gästen zu schwätzen.
- Ich habe nirgends kochen gelernt. Oder doch, in der Küche. Ich meine, man kann das nur dort lernen. Man tut seine Aufgaben, und die Ideen kommen von selbst – erfahre ich die Grundphilosophie.
Eins ist sicher, die Meisterstücke der tschechischen Küche fehlen nicht von der Speisekarte, und das bedeutet in gewisser Hinsicht Fleisch mit Knödeln und Klößen.
Man isst hier in der Tschechei gerne gut – lächelt Martin bescheiden, als würde er über ein altvertrautes Geheimnis reden. – Und hier bekommen sie, wonach sie sich sehnen. Die verschiedenen Gulaschsorten, die gebratenen und konfitierten Enten, und halt die Haxe in verschiedenen Formen werden gut verkauft. Und nach diesen kann man natürlich ein schönes Bier trinken.




Martin Ha¹ek, der seine Augen auch während des Gesprächs und des Fotografierens auf den Räumlichkeiten hält, und ab und zu hinter die sich oft öffnende und schließende Küchentür guckt, hält sich für einen stolzen Urenkel:
Jaroslav Ha¹ek war vielleicht der größte tschechische Schriftsteller. Aber dass er der populärste war, ist sicher. Schwejk ist der typische tschechische Kleinmensch, und ich behaupte zwar nicht, dass wir, Tscheche auch nach hundert Jahren so sind, aber irgendwie halten wir uns daran – und auch die Ausländer halten am „Schwejkschen” fest.
Es ergibt sich natürlich die Frage, die man dem im Chefuniform herumlungernden Urenkel stellen muss, nämlich wievielmal er den Schwejk gelesen hatte.
Ich werde Sie jetzt bestimmt enttäuschen. Nämlich nur einmal. Mit etwa 18 Jahren. Ich habe es sehr geliebt. Jedes Jahr entschließ ich mich, es gibt keine Ausrede mehr, ich lese es wieder. Aber dann kommt so viel dazwischen, die Musik, der Gasthof, das Kochen, ich habe einfach keine Zeit dafür.

Bis der Chef in die Küche zurückrennt, wir, Gäste lassen uns unter die Schirme der Terrasse nieder und was kommen soll, kann kommen. Unsere tschechischen Freunde erklären uns die Speisekarte, obwohl es eigentlich überflüssig ist, weil alles viel zu gut klingt. Tschechische Speisepoesie, die eine ist Lieblingsspeise von Ha¹ek, die andere À La Schwejk, dann wieder etwas, wie das Ha¹ek gerne hatte. Und zum Schluss gibt es unter den Desserts natürlich Strudl und Palacinka, was eine echte Monarchieatmosphere herbeischafft.

Wie sagte es Ha¹ek, was auch sein Bekenntnis sein könnte?
Mir konnte nichts Besseres widerfahren, als dass ich endlich in einer Kneipe wohne!
Auch wenn das nicht unbedingt das Ziel ist, aber für einige Stunden kann jeder in den Gasthof zur Tschechischen Krone in Lipnice einziehen, und das wird er mit Sicherheit nicht bereuen.